Der Künstler Jan Davidoff

Jedes Bild hat seine ganz persönlich erlebte Geschichte – Ein Besuch im Atelier von Jan Davidoff
(Karsten Löckemann)

Betritt man das Atelier von Jan Davidoff und wirft einen Blick auf seine oft sehr großformatigen Arbeiten, scheinen viele Motive sehr exotisch, sodass man zuerst an ferne Länder und fremde Welten denkt. Man erblickt Palmen und einsame Holzhütten, aber auch Menschenansammlungen in betriebsamen fernöstlichen Metropolen. Die Motive sind häufig durch einen impressionistischen Pinselduktus verfremdet und von einem Nebelschleier überdeckt. Die Gemälde, ob in Acryl oder Öl, sind meist verwirrend detailreiche Labyrinthe abstrakter und figurativer Formen. Sie zeigen aber auch immer etwas Vertrautes, das zugleich beunruhigend manipuliert oder dem Kontext entrissen ist. Realität und Fiktion verschmelzen hier ebenso wie Vordergrund und Hintergrund, Stillstand und Bewegung. Doch der erste Eindruck trügt. Davidoff verarbeitet Erinnerungsmomente von Reisen in fernöstliche Länder, aber immer wieder auch Szenerien aus der näheren Umgebung und aus seinem Lebensalltag. Beides ist ihm wichtig. Sein Bild- und Formenrepertoire ist immer auf dem Moment der persönlichen Erinnerung aufgebaut. Die Fotografie als Vorlage und Inspirationsquelle hilft ihm dabei, seine scheinbar einem einzigen Moment entspringenden Kompositionen zu schaffen. Es sind diese kurzen, entscheidenden Augenblicke, die mittels der Fotografie festgehalten werden und dieses Medium als Vorlage für unzählige junge Künstler attraktiv machen. Davidoff selbst sagt, dass die Fotografie für ihn einfach das bessere Bildgedächtnis sei und er eben oft bereits beim Ablichten einer gewissen Szenerie das spätere Bild vor Augen sehe. Im Atelier entwirft der Künstler dann am Computer aus seinem gesammelten Fotomaterial Bildskizzen für die spätere Arbeit. Das eigentliche Werk basiert schließlich ganz auf dem Prinzip der Collage. Die entscheidenden Szenen aus seinem privaten Fotoarchiv werden zu einem stimmigen Bild zusammengeführt. Manchmal geschieht dies schon unmittelbar nach dem Entstehen der Fotografien, oft aber auch erst Jahre später.
Bedenkt man, dass der Künstler 2004 sein Malereistudium an der Münchner Kunstakademie aufgenommen und im Jahr 2009 abgeschlossen hat, so gibt es für diese kurze Künstlerlaufbahn doch schon eine erstaunliche Bandbreite an Motiven und künstlerischen Techniken. Ausgehend von klar figurativ orientierten Gemälden in den verschiedensten Formaten hat sich Davidoff nun in einer neuen Serie mit abstrakten, geometrisch angelegten Formen auseinandergesetzt. Eine bunte Gitterstruktur bildet den Hintergrund für seine figurativen Szenerien. Veränderung sei für ihn unumgänglich und verhindere den Stillstand, sagt er selbst. Dies ist wohl ein Grund, warum er sich nicht festlegen möchte, wohin seine künstlerische Reise geht. Es ist ihm wichtig, immer wieder etwas Neues zu erleben, um diese Geschichten in der Malerei erzählen zu können. Da bietet das Reisen natürlich ein größeres Erlebnisspektrum und ermöglicht andererseits auch eine Flucht vor dem Alltag. Davidoffs großes Vorbild, der schottische Maler Peter Doig, der vor allem durch seine exotischen, häufig impressionistisch verspielten Meisterwerke schon vor einigen Jahren zum absoluten Malerstar der zeitgenössischen Kunstwelt erkoren wurde, findet seine Inspiration unter anderem auf der Karibikinsel Trinidad. Für Doig ist aber nicht die Reise an sich, sondern gerade der Moment der Erinnerung an ferne Orte die Inspirationsquelle für den Malprozess im Atelier. Er selbst sagt: „[…] es war immer eine Form von Flucht, diese Bilder im Atelier zu malen, denn das, was hinter der Tür lag, war tatsächlich das Aufregende daran: Der Versuch, diesen anderen Ort in meinem Großstadtatelier und in meinem Kopf zu finden.“1 Im Gegensatz zu Davidoff entwickelt Doig seine Bildideen aber nicht nur aus dem eigenen Erinnerungsschatz, sondern spielt auch mit einem kollektiven Erinnerungsmoment, mit Klischees und mit der Werbung. Ihn interessiert vor allem die ‚Idee von Erinnerung’. Die Arbeiten von beiden Künstlern zeigen aber sehr deutlich die Faszination für die Kunst des Impressionismus. Sie lieben das Spiel mit dem Licht und der Farbe. Oft tritt das Interesse an atmosphärisch bedingten momenthaften Veränderungen von Farbe und Licht klar in den Vordergrund. Davidoff geht noch einen Schritt weiter, indem er sagt: „Das Licht ist ausschlaggebend, ohne Licht gibt es kein Bild.“ 1Zitiert nach Judith Nesbitt: Eine angemessene Distanz, in: Peter Doig, Aust.-Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt 2009, S.18.



Kommentare sind geschlossen.